Über den Autor

Michael Eremenko

Universitätsmedizin Greifswald
Walther-Rathenau-Str 42a
17475 Greifswald
Germany
03834 / 86 196 23
eremenkom@uni-greifswald.de
http://www.dental.uni-greifswald.de/

Vita

Hochschulausbildung

  • 2007-2012 Studium der Zahnheilkunde an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
  • 2012 Approbation als Zahnarzt
  • seit 2013 Assistenzzahnarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie, Endodontologie, präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde
  • seit 2013 In Fortbildung zum DGParo-Spezialisten für Parodontologie

Publikationen/ Beiträge

  • seit 2014 Mehrere Kurzvorträge und Publikationen in nationalen und internationalen Zeitschriften

Unhygienisierbare Prothetik und ihre Folgen

Thema

Patientenvorstellung

Der Patient stellte sich erstmalig im Juli 2013 in einer Sprechstunde der Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie, Endodontologie, Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde der Universitätsmedizin Greifswald vor.

Der Grund der Konsultation war ein selbst wahrgenommener, leichter Mundgeruch. Der 52-jährige Patient leitet eine Firma und gehört einer Jagdhornbläsergruppe an, die regelmäßig auftritt. Somit nimmt der Patient aktiv am sozialen Leben teil und tritt in der Öffentlichkeit in Erscheinung.

Er leidet an einer Adipositas und einer arteriellen Hypertonie. Darüber hinaus bestanden keine weiteren anamnestischen Auffälligkeiten.

Zu diesem Zeitpunkt besaß der Patient eine festsitzende, implantatgetragene prothetische Versorgung in Form von Brücken (Abb. 1). Aufgrund einer erhöhten Mobilität wurden alle Zähne, bis auf den Zahn 23, im Jahr 2003 extrahiert. Im darauffolgenden Jahr wurden 14 Implantate inseriert und mit der jetzigen Arbeit versorgt. Nach der Eingliederung fanden weder Kontrolltermine, eine Mundhygieneinstruktion, noch professionelle Zahnreinigungen statt. Die erste Explantation des Implantats Regio 43 fand im Jahr 2013 alio loco statt.

Nach einer eingehenden Diagnostik (radiologische Untersuchung, Taschentiefensondierung, Erhebung des Sulkus-Blutungs-Index, CMD-Kurzscreening, Mobilitäts- und Vitalitätsüberprüfung) wurde die Diagnose der Periimplantitis und der periimplantären Mukositis festgestellt (Abb. 9, Abb. 10). Die Extraktion der Zähne erfolgte bereits im Alter von 43 Jahren, sodass ein aggressiver Verlauf der vorangegangenen Parodontitis angenommen werden musste. Zu diesem Zeitpunkt bestand kein Anhalt für craniomandibuläre Dysfunktionen.

Therapieplanung

Die primären Therapieziele waren: der Erhalt möglichst vieler Implantate, die Schaffung einer suffizienten Mundhygiene und die Eingliederung einer ästhetischen, gut zu reinigenden, prothetischen Versorgung.

Der erste Schritt der Therapie umfasste die Abnahme der aktuellen prothetischen Versorgung und die Begutachtung aller Implantate. Bei fehlender Stabilität sollten die betreffenden Implantate im Verlauf chirurgisch explantiert werden. Im weiteren Schritt erfolgte die provisorische Versorgung. Die Parodontitis-/Periimplantitistherapie erfolgte nach dem Greifswalder-Konzept (initiale Therapie mit drei Sitzungen der Vorbehandlung, die mehrere Schulungen in der Mundhygiene und professionelle Zahnreinigungen beinhalten und eine antiinfektiöse Therapie in einer oder zwei Sitzungen). Bei einer unzureichenden Heilung würde in einem weiteren Schritt ein chirurgisch-korrektives Verfahren in Form einer Gingivektomie oder Implantoplastik durchgeführt werden. Sechs Monate später würde eine Reevaluation der eigenen Hygienefähigkeit des Patienten und der Wundheilung stattfinden. Dann erfolgt die Entscheidung, ob das gleiche Protokoll für den Oberkiefer angewendet werden kann. Im letzten Therapieschritt würde ein herausnehmbarer Zahnersatz in Form einer Teleskopkronen-Arbeit (Konuskronen) angefertigt und eingegliedert werden. Zwischen den einzelnen Therapieschritten fänden kontinuierliche Rekapitulationen der Mundhygiene, sowie Instruktionen und Übungen mit Hilfsmitteln statt.

Aufgrund der fortgeschrittenen Knochendestruktion und der starken Entzündung wurde der Patient über einen ungewissen Ausgang aufgeklärt. Der Patient lehnte aufgrund des ungewissen Ausgangs und des geringen Leidensdruckes die Therapie ab. Im Mai 2015 erfolgte die erneute Vorstellung in der Zahnklinik Greifswald aufgrund des stetig zunehmenden Foetor ex ore und der damit verbundenen sozialen Isolation. Das vorab erläuterte Behandlungsprotokoll wurde nun umgesetzt.

Therapieverlauf

Im Mai 2015 erfolgte der erste Schritt der Therapie, die Abnahme der prothetischen Versorgung im Unterkiefer. Das Implantat Regio 41 wurde in der gleichen Sitzung aufgrund erhöhter Mobilität und keiner primären Stabilität explantiert (Abb. 2a–b). Ebenfalls wurden alle Abutments mit einem Ultraschallgerät (Cavitron®) gereinigt. Weiterhin wurde eine gut zu reinigende provisorische Brückenkonstruktion angefertigt. Unmittelbar danach wurden passende Hilfsmittel (Interdentalraumbürstchen, TePe) ausgesucht und ein manueller Umgang mit diesen geübt. Im Anschluss an die dritte Sitzung der Vorbehandlung wurde überschüssiges Weichgewebe mittels eines Elektrotom-Gerätes entfernt (Abb. 2c–d). Ende Juli 2015 wurden die Taschentiefen vor einer antiinfektiösen Therapie reevaluiert (Abb. 3, Abb. 4a–b). Es zeigte sich eine Remission der Taschentiefen, sodass keine weitere Bearbeitung der Implantatoberflächen notwendig war. Im gleichen Monat wurde eine Langzeitbrücke mittels CAD/CAM-System, (Ceramill miles, Amann Girrbach) aus Kunststoff angefertigt (Abb. 4c). Nach einer kurzen Zeit zeigte sich, dass dieses Material zu fragil war. Aus diesem Grund wurde eine Langzeitbrücke auf einer Nichtedelmetall-Basis angefertigt. Es folgte eine Testphase, welche im März 2016 neu beurteilt wurde (Abb. 5, Abb. 9). Die angestrebten Ziele – ein Erhalt von möglichst vielen Implantaten, eine suffiziente Mundhygiene und eine hygienefähige prothetische Versorgung – wurden in diesem Fall erreicht. Anhand klinischer Befunde wie Taschentiefe, Plaque-Index, Sulkus-Blutungs-Index und Fotos wurde der Erfolg dem Patienten visualisiert. Für den Gegenkiefer wurde das gleiche Behandlungsprotokoll leicht abgeändert angewandt. Eine definitive prothetische Versorgung wurde nach dem Abschluss der antiinfektiösen Therapie geplant. Im gleichen Monat erfolgte im Oberkiefer der Austausch der prothetischen Versorgung gegen eine provisorische Arbeit (Abb. 6a–b). Es folgten Mundhygieneschulungen, eine Reduzierung des überschüssigen Weichgewebes und Deep Scaling am Zahn 23 (Abb. 6c). Auch in diesem Fall trat eine rasche Heilung auf (Abb. 9). Somit konnte Ende April 2016 mit der Anfertigung der definitiven Versorgung begonnen werden. Erschwerend kam hinzu, dass das ursprünglich verwendete Implantatsystem (PITT-EASY, Sybron) nicht mehr auf dem Markt erhältlich war und keine firmengleichen Ersatzteile bezogen werden konnten. Das Implantatsystem der Firma OT medical GmbH bot ähnliche Abutmentschrauben und Prothetikschlüssel. Auf diese Weise konnten diese für die folgende Versorgung genutzt werden.

Die Implantate wurden in einem offenen Verfahren abgeformt. Dabei fielen extrem unterschiedliche Angulationen der Implantate auf, sodass die Bestimmung der gemeinsamen Einschubrichtung erschwert möglich war (Abb. 7a–b). Weiterhin stellte ein zu geringer Abstand zwischen den Implantaten die Hygienisierbarkeit infrage. Im Dentallabor Andresen in Westerrönfeld wurden individuelle Abutments erstellt und mit primären Konuskronen verklebt (Abb. 7c–e). Eine Bisshöhenbestimmung und eine Ästhetikanprobe folgten. Hierbei ist es wichtig, schon in diesem Schritt die Hygienisierbarkeit der Versorgung zu überprüfen und an den nötigen Stellen eine Führung für Interdentalraumbürstchen einzuarbeiten. Ebenso ist es wichtig, eine ästhetische Korrektur des verloren gegangenen Knochens in die Konstruktion einzuarbeiten und diese unterspülbar zu gestalten. Hiermit soll das Verbleiben von Nahrungsresten unter der prothetischen Arbeit verhindert werden. Auf Wunsch des Patienten wurde zur Individualisierung der Arbeit ein Goldinlay an Zahn 22 mesiovestibulär angebracht. Die Eingliederung der Arbeit erfolgte im Juni 2016 (Abb. 8). Abschließend wurden die Sondierungstiefen reevaluiert. Im Verlauf wurden Röntgenbilder als Referenz angefertigt. Am Implantat 25 zeigte sich eine natürliche Dicke der Schleimhaut, obwohl erhöhte Sondierungstiefen messbar waren (Abb. 9).

Die Behandlungsdauer erstreckte sich insgesamt über dreizehn Monate. Der Patient ist mit dem Resultat zufrieden und befindet sich in einem individuell angepassten Recallabstand von drei Monaten.

Zusammenfassung:

Die Beratungs- und Entscheidungsphase des Patienten zog sich über einen Zeitraum von ca. 1,5 Jahren hin. Dieser Umstand lässt beispielhaft erkennen, dass jedem Eingriff unabhängig vom Ausgang der Therapie ein Überzeugungsprozess mit vertrauensvoller Beratung vorausgeht. Zudem sollte eine Anleitung des Patienten in Mundhygiene und eine entsprechende Handhabung bei jeder neuen prothetischen Arbeit erfolgen.

Momentan wird der Dentalmarkt von vielen Implantatsystemen überschwemmt. Jedoch sind die Systeme untereinander nicht kombinierbar. Wie dieser Fall beispielhaft zeigt, ist der Patient zehn Jahre nach Implantation auf entsprechende Ersatzteile des ursprünglich genutzten Systems angewiesen.

Ziel sollte es sein, eine Strategie zu entwickeln, um diese Lücke in der prothetischen Versorgung zu schließen.

Als weitere Problematik stellte sich der zu enge Abstand zwischen den Implantaten und der verblockten prothetischen Versorgung dar. Daraus resultierte zwangsläufig eine unzureichende Mundhygiene der Implantate und der Versorgung, die zu einer extremen Hypertrophie des Weichgewebes und zum Abbau des Knochens geführt hat.

Durch die gute Compliance des Patienten und der beschriebenen konservativen Therapie konnten fast alle Implantate erhalten und die Behandlungsziele erreicht werden. Mit der Konusarbeit konnten ästhetische Defekte kompensiert und individualisiert werden. Der Patient kann nun, wie gewünscht, normal am sozialen Leben teilnehmen.